Es gibt wohl auch heute kaum etwas, was dem guten alten 35mm Film in Punkto Dynamikumfang und Detail das Wasser reichen kann. Gerade Hollywood setzt zu großen Teilen immer noch auf die Analoge Technik des 35mm Films oder gar des noch größeren 70 mm Formats. Allerdings schreitet die Technologie unaufhaltsam voran. Die Kameras, die die letzen Jahre hervorgebracht haben, lassen Filmproduktionen um den ganzen Globus die Notwendigkeit des Mediums Film in Frage stellen. Durch Auflösungen bis 6K in Raw im Master steht der klassische Film einem ebenbürtigen Gegner gegenüber.
Rückblende:
Ähnlich wie die 5D Mark II, die Filmbranche, wegen ihrer Kompaktheit und der für damalige Verhältnisse außergewöhnlichen Videoqualität, revolutionierte, markierte das Erscheinen der Red One einen Meilenstein in der Welt der digitalen Cinemakameras. Schon 2006 begann der Erfinder der Sportbekleidungsmarke Oakley – Jim Jannard – mit der Entwicklung einer Kamera, welche die digitale Filmindustrie revolutionieren wird – die Red One.
Wie die Red One als Prototyp aussah kann man hier sehen. Auch Red hat mal klein angefangen. Eine „Kamera“ aus einer Holzkiste mit einem Sensor einem Bajonette für die Optik und einem Speichermedium, mehr war sie Anfangs nicht.
2007 wurde die Red One dann auf der NAB in Las Vegas vorgestellt und die Filmindustrie stand Kopf. Denn nicht nur war es die erste Kamera seiner Art, die es ermöglichte in einem relativ kompakten Gehäuse Aufnahmen mit bis zu 120 FPS in 4K digital aufzuzeichnen, sie konnte das ganze in einem rohen Format dem R3D Raw. Dieses war bahnbrechend für die digitale Filmindustrie, denn nun war es möglich auf eine Farbbittiefe von 16 Bit pro Farbkanal zuzugreifen. Endlich konnte man auf eine annähernd gute Qualität, wie Zelluloid zurückgreifen, ohne Kosten für die Entwicklung der Filmrollen aufbringen zu müssen. Endlich konnte man direkt am Set schon sehen, was man geschossen hatte und schon grobe Farbanpassungen machen. Das war und riesiger Fortschritt!
Dies war ein Weckruf für die Konkurrenz, die normalerweise im Negativfilmbereich zu Hause war. Die Firma Arnold & Richter aus Wiesbaden (besser bekannt unter dem Kürzel ARRI) schuf mit der ARRI Alexa einen Meilenstein in der digitalen Filmindustrie. Die Alexa ist heute noch absoluter Standart für digitale Cinekameras in Hollywood.
Raw (englisch „roh“) ist ein unkomprimiertes „Videoformat“. Hierbei werden die Rohdaten, die der Sensor ausliest, unkomprimiert, in einen je nach Kamerahersteller eigenen Container verschoben. Wie auch in der Fotografie ist das Raw Format ein sehr datenintensiver, aber mittlerweile unverzichtbarer Industriestandart geworden.
Um ein Raw Format auf dem Computer darstellen zu können, benötigt man sogenannte Debayer. Diese sind Dateikonverter, die mit Hilfe von Metadaten, den rohen Datenstrom des digitalen Filmsensors in ein abspielbares Videoformat umcodiert.
Doch was nutzt uns ein Format, welches man erst umcodieren muss, um damit zu arbeiten? On Location nutzt einem das relativ wenig. Das raw Format macht sich erst wirklich im Bereich der Postproduktion bezahlt.
Das fängt schon bei der Art des Videosignals an. Ein Raw Format ist streng gesehen eigentlich kein Filmformat. Raw ist nur eine Datei aus Informationen, die der Sensor weitergeleitet hat. Es ist das digital umgewandelte Abbild des Sensors zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Belichtung.
Die Metadaten werden meistens im allgemein gängigen XML Metadatenformat abgespeichert, um innerhalb der Filmproduktion von den verschiedenen Bearbeitungsprogrammen gelesen und zum Debayern genutzt werden zu können. Wird innerhalb der Postproduktion eine Veränderung, wie beispielsweise am Weißabgleich der Raw Film-Aufnahme, vorgenommen wird diese nur in der zugehörigen XML gespeichert und steht somit allen weiteren Debayern anderer Bearbeitungsprogramme sofort zur Verfügung.
Gängige Videoformate bedienen sich, um Datenrate zu sparen, eines sogenannten Chroma Subsamplings. Hierbei werden aus dem RGB Signal des Chips drei Signale abgeleitet:
Um weiter Daten zu sparen, werden die abgestuften Signale(CB– und CR– Signal) mit einer geringeren Abtastrate erfasst. Dadurch ergeben sich Videosignale mit einem zum Beispiel 4:2:2 Subsampling.
Da das menschliche Auge sehr empfindlich für Helligkeit ist, sollte bei dem Y- Signal nie die Abtastrate verringert werden, da das Bild dadurch unschärfer und flau wirken würde. Die 5D Mark II und dessen Nachfolger bieten zum Beispiel ein 4:2:0 Subsampling als komprimiertes H264 Containerformat an.
Da ein RAW Film ein unkomprimiertes Format ist, wird das Filmmaterial nicht durch Subsampling verfälscht. Hier kommt es auf die Güte des Chips des Filmsensors und seine Komponenten zur Datenstrombildung an. Das R3D RAW einer Red Epic zum Beispiel bietet pro RGB Kanal eine 16-bit Farbtiefe an. Im Gegensatz zu einem 4:4:4-Format hat man so zusätzlich pro Farbkanal eine Farbtiefe von 16 Bit (216, also 65.536 Farbastufungen pro Kanal) in der Postproduktion zur Verfügung.
Ein Raw ist viel feinfühliger für selbst die kleinsten Veränderungen der Farbbalance, was sich gerade im Colorgrading bezahlt macht. Die hohe Genauigkeit durch die hohe Bittiefe, hat noch einen weiteren wichtigen Effekt: Dynamikumfang. Der Dynamikumfang einer Raw Aufnahme ist um ein Vielfaches höher als der einer komprimierten Aufnahme, was mich wieder zum Negativfilm bringt.
Der Negativfilm wird von vielen Filmproduktionen deswegen dem digitalen Medium vorgezogen, weil er den größten Dynamikumfang bietet. Bis zum erscheinen der Red One, wurden digitale Cinekameras von Hollywood nur belächelt und die großen Kamerahersteller wie ARRI setzten sich gar nicht erst wirklich mit dem Thema Digitalchip auseinander. Das erscheinen der Red One rüttelte alle auf, denn der Workflow wurde deutlich einfacher. Und die Entwicklungskosten für den Negativfilm entfielen völlig. Was gedreht wurde konnte direkt am Set schon betrachtet werden – ein riesiger Benefit, auch für die Negativfilmfanatiker aus Los Angeles.
Die Frage lässt sich nur mit einem klaren „Jain“ beantworten.
Klar, gehen einem die cinematografischen Herzen auf, wenn man mit einem Imagefilm in 6K raw arbeiten kann. Die Möglichkeiten, die einem in der Postproduktion offen stehen, scheinen unbegrenzt. Dynamikumfang von 16 Blendenstufen normal und sogar noch mehr mit dem HDRx Modus der Red Epic Dragon. Zeitlupenaufnahmen in einer kompakten Kameraeinheit und einen HDRx Modus, der für Filmkameras rein physikalisch gar nicht möglich ist.
DOCH, um Onkel Ben zu zitieren: „With great power comes great responsibility.“ (d.h.: Aus großer Kraft folgt große Verantwortung.“). Das Datenaufkommen der Red Epic ist gelinde gesagt… enorm!
Ein Rechenbeispiel: Bei unserer Kamera der Red Epic Dragon, in 6KHD, bei 25 Bildern pro Sekunde und einem verlustfreien Komprimierungsfaktor von 8:1 verschlingt das Biest 83MByte Speicherplatz pro Sekunde. Das mag jetzt nach noch nicht so viel klingen, aber in Relation gesetzt: die 5D Mark III schreibt mit 90 MBit/s, was gerade mal knappen 11 MB pro Sekunde entspricht. Nach ein paar Drehtagen und einigen Highspeed Aufnahme kann man mit einer 4TB Festplatte schon in Bredouille geraten.
Kurz um: Raw Aufnahmen verschlingen Unmengen an Speicherplatz!
Doch damit nicht genug, durch die enorme Auflösung und die Arbeit die ein Debayer verrichten muss, um aus dem Raw überhaupt ein Bild zu erzeugen, werden Grafikkarte und CPU stark beansprucht. Stark wirkt hier noch euphemistisch… sagen wir es so: GeForce GTX Titan, zwei neue Intel Xenon Prozessoren, sowie ein massives Upgrade an RAM mussten her. Ohne dass war nichtmals das Schneiden in Premiere möglich – jetzt geht’s dafür!
Die Möglichkeit in der Postproduktion alle Türen offen zu haben, kann schnell zu einer Last werden, in der Postproduktion alle Türen auch nutzen zu müssen. Das Bild was aus der Kamera am Ende des Drehtages herauskommt, ist zwar schon sehr ansehnlich, allerdings bedarf es in der Regel immer noch zumindest einem Fine-Tuning. Der Postprodkutionsaufwand vervielfacht sich durch den Einsatz einer Raw fähigen Kamera. Und wieder trifft der Satz von Onkel Ben voll ins Schwarze.
Das klingt jetzt so, als wenn ich absolut gar nicht von Raw begeistert wäre – das Gegenteil ist jedoch der Fall, denn nachdem man sich die Mühe gemacht hat und sich das Ergebnis am Ende der Filmproduktion und Postproduktionskette ansieht, bleibt nur ein einziges Fazit übrig:
Raw ist ein Fortschritt in der Filmwelt, den wir auf gar keinen Fall mehr missen wollen. Der Aufwand lohnt sich in jedem Fall. Nicht allein, um unsere eigenen Bedürfnisse nach Perfektion zu befriedigen, auch der Mehrwert, der dabei für die Kunden herausspringt ist enorm. Ein Fazit, dass ich natürlich nur für unsere „kleine“ Welt ziehen kann, in Hollywood – da wo Budget keine Rolle spielt – sieht die Welt wohl wieder ganz anders aus.
Ob über kurz oder lang der Trend der Digitalen Cinemakameras in der Filmbranche abflachen wird bleibt wohl offen. Die Diskussion um Film oder Digital ist unter Cinematographen ein sehr heiß diskutiertes Thema. Noch bietet der Film in Punkto Dynamikumfang einen minimalen Vorteil im Gegensatz zu den jetzigen Kamerasystemen. Ehrlich gesagt, selbst bei genauem hinsehen, ist der Unterschied so marginal, dass ich persönlich sagen würde es macht keinen Unterschied.
Es wird sich zeigen, ob der Trend wieder hin zu Zelluloid gehen wird. Gerade wurde bekannt, dass der neue James Bond Streifen ‚Spectre‘ nicht wie sein Vorgänger auf ARRI Alexa gedreht wird, sondern auf 35mm Film. „Every film deserves its own look“ sagte Hoyte Van Hoytema, DP (Director of Cinematography) von Spectre in einem Interview bezüglich der Kamerawahl für seinen vorherigen Film „Interstellar“ und ich denke, dass das den Nagel auf den Kopf trift. Die Entscheidung ob man auf Film oder Digital dreht wird im Endeffekt davon abhängen, welcher Look bevorzugt wird. Zelluloid wird nie aus der Filmwelt verschwinden, weil es seinen eigenen Look hat, ganz gleich wie gut die Digitalen Kameras werden, jedes Medium hat seinen eigenen Look und der bevorzugte Look entscheidet über die Wahl des Kamerasystems.
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