Im Vergleich: Steadycam vs elektronischer Gimbal

Lange Zeit war die Steadycam die einzige, wirkliche Möglichkeit, Plansequenzen mit stabilisierten Kamerafahrten zu erstellen. Doch die neuen Entwicklungen auf dem Markt könnten nun genau diese Vormachtstellung der Steadycam anfechten. Wird die Steadycam sich noch gegen ihre high-tech Kontrahenten behaupten können? Obwohl sich dieser Blogeintrag bei weitem nicht in Gänze mit dem Thema befassen kann, gibt er doch einen Denkanstoß und vergleicht beide Systeme miteinander.

Was ist eine Steadycam eigentlich?

Die Steadycam is eine auf den Grundfesten der Physik basierende, mechanische Aufhängung für die Kamera, welche es den Filmschaffenden erlaubt, den Körper des Kameramanns von der Kamera zu lösen. Dadurch wird es dem Kameramann möglich wackelfreie Kamerafahrten zu erstellen und zudem nicht an Dollyschienen gebunden zu sein- die Kamera ist sozusagen mittels eines Kardangelenks von dem Kameramann entkoppelt.

Wenn der Kameramann die Kamera in der Hand hält, kann kein Kameramann der Welt eine ruhige, nahezu schwebende Kamerafahrten erzeugen. Die Bewegungen, die Kammeramänner beim Laufen machen, übertragen sich zwangsläufig auf die Kamera, egal wie sanft man die Kamera führt, man hat immer eine gewisse Grundbewegung im Bild. Die Steadycam ist dazu erfunden worden genau dieses Manko des menschlichen Körpers zu umgehen. Dies wird in mehreren Schritten erreicht:

Zunächst wird durch eine Weste und einen Federarm die Bewegung der Beine eliminiert. Die Auf- und Abbewegung, die durch die Beine beim Laufen entsteht wird von den Federn im Federarm aufgefangen und überträgt sich deswegen nicht mehr auf die Kamera.
Danach wird mit Hilfe eines Kardangelenks die Kamera von der Hand des Kameraoperators losgelöst. Dadurch werden keine ungewünschten Bewegungen mehr auf die Kamera übertragen.

Zu guter Letzt wird mit Hilfe von Gegengewichten die Kamera ausbalanciert und ist nun nur noch ihrem Trägheitsmoment ausgeliefert. Die Kamera ist nun vom Körper des Kameramanns losgelöst, kann aber noch immer durch subtile Impulse vom Kameraoperator in die richtige Richtung gelenkt werden.

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Die Verbesserung von Plansequenzen durch die Verwendung von Steadycams

Die um 1970 von Gerret Brown entwickelte Steadycam, erlebte in den darauffolgenden Jahren eine immer bedeutendere Stellung in der Filmproduktion. Ein Vorreiter unter den Regisseuren war Stanley Kubrick. Er machte mit Filmen wie „The Shining“ die Steadycam erst wirklich salonfähig. Kubrick nutze die großen Vorteile der Steadycam, um einzigartige Szenen zu erschaffen.

Unvergessen wird wohl für immer die Szene aus „The Shining“ bleiben, in der Danny Torrance, der kleine Junge, auf seinem Dreirad durch das riesige Anwesen des Overlook Hotels fährt. Er wird dabei konstant – ohne einen einzigen Schnitt – durch das Gebäude verfolgt. Diese so genanten „Plansequenzen“ haben im Vergleich zum normal gedrehten, also geschnittenen, Filmen eine komplett andere Wirkung.

Während durch Schnitte im Film zwar eine Kontinuität erhalten bleiben kann, wird dem Betrachter immer wieder bei jedem Schnitt klar gemacht, dass es sich „nur“ um einen Film handelt. Der Zuschauer wird durch Schnitte aus der Szenerie gerissen, man ist weniger eine Person in der Szenerie, als einfach nur ein Betrachter eines Films, der sich aber außerhalb der Szenerie befindet.
Ohne Schnitte fühlt sich der Betrachter eher wie eine Person mitten im Geschehen. Der Zuschauer wird viel mehr in den Film eingezogen, ein viel intensiveres Gefühl zu den Darstellern und zu der Situation im Film wird dadurch erzeugt.

Das Prinzip der Steadycam aufgreifen und mit moderner Technologie verbessert

Doch genug mit Physik! Nun kommen wir zu den elektronischen Gimbals. Das Prinzip hierbei ist dem der Steadycams sehr ähnlich – wenn nicht sogar gleich – die Umsetzung funktioniert nur anders.

Grundgedanke bei den elektronischen Gimbals ist, wie bei den Steadycams, die Kamera von den Bewegungsstörungen, verursacht durch den Kameramann, loszulösen. Dazu werden ebenfalls Kardangelenke (eng. Gimbal) benutzt, hier kommt allerdings modernste Technik mit ins Spiel. Wo bei den Steadycams noch Gewichte und Gegengewichte sowie die Schwerkraft dafür sorgen, dass die Kameras wie schwebend durch den Raum fliegen, sorgen bei den elektronischen Gimbals Sensoren und Elektromotoren für Ausgleichbewegungen, um den gleichen Effekt zu erzeugen.

2012 wurden erstmals auch Gimbalsysteme vorgestellt, die nicht das Budget einer mittelständigen Filmproduktionsgesellschaft überschreiten. 2014 wurde auf der NAB dann der Ronin von DJI vorgestellt. Dieses Gimbalsystem bietet einer Filmproduktion alle Vorteile, die eine gute Steadycam bietet und noch mehr.

Als erstes wird die Kamera mit Hilfe eines Systems – das DJI aus ihrem Sortiment für Flugaufnahmen übernommen hat – stabilisiert. Das ist auch bei der Steadycam nicht anders. Aber der Ronin macht noch mehr und eröffnet bisher undenkbare Möglichkeiten, durch seine Kompaktheit.
Das Gerät besteht nämlich einzig und alleine aus der Platte, auf der die Kamera befestigt ist, drei Achsen inklusive der Elektromotoren und Sensoren, die zur Stabilisierung benötigt werden, sowie Haltegriffen für den Kameramann. Das System ist auf das Nötigste reduziert- was in diesem Fall ganz und gar nicht negativ zu betrachten ist!

Vorteile eines solchen Gimbalsystems

Bei einer Steadycam ist es von Nöten, dass beim Wechsel des Objektivs oder der Kamera das gesamte System neu austariert wird. Wer das mal bei einer Steadycam gemacht hat, weiß wie genau man dabei sein muss und wie zeitaufwendig das mitunter sein kann. Das Gimbalysystem ist mit seiner Sensorik so ausgelegt, dass es sich selbst austariert. Es wird per Knopfdruck dafür gesorgt, dass der Computerchip richtig auf die neue Kamera und/oder das neue Objektiv reagiert.
Bei der Steadycam jedoch ist es so, dass schon beim kleinsten Fehler beim Austarieren die Aufnahme, aus rein technischen Gründen, nicht stabil genug ist und man die ganze Szene neu drehen muss. Das ist insbesondere bei Plansequenzen eine unfassbare Belastung für das gesamte Set und vor allem für den Kameramann, denn die Steadycam wiegt einiges und die Belastung liegt gänzlich auf dem Kameramann.

Das bringt mich direkt zum nächsten, großen Vorteil eines Gimbalsystems: Das Gimbalssystem ist ein Fliegengewicht im Vergleich zur Steadycam. Es ist demnach eine körperliche Erleichterung für den Kameraoperator.

Das Gewicht und die oben erwähnte Kompaktheit des Gimbals hat allerdings noch einen weiteren sehr bedeutenden Vorteil. Man kann den Gimbal in nahezu allen denkbaren Situationen einsetzen. Dazu ein kurzer Einblick hinter die Kulissen des Werbeclips für den DJI Ronin:

©DJI Quelle: Youtube

 

Hier wurde, wie im Video erwähnt ein „One Shot“ gedreht, also ein Clip, der komplett ohne Schnitte auskommt, um von Szenerie zu Szenerie zu gelangen- das Paradebeispiel für eine Plansequenz. Dabei kommt vor allem das Leichtgewicht und die Kompaktheit des Ronins zum Tragen. Zum einen war es den Kameramännern so möglich die Kamera von Kameramann zu Kameramann weiterzugeben, ohne dass eine Verwackelung im Bild zu sehen war, zum anderen konnten aber auch die Apparaturen, mit denen die Kamera bewegt wurde gewechselt werden. So konnte die Kamera durch Fenster durchgereicht werden, an einem Seilzug eine Treppe herunterschweben und zu guter letzt auf einen Kamerakran, der an einem Auto befestig war, montiert werden und das Ganze ohne einen einzigen Schnitt. Die Schärfe und der Bildausschnitt wurde dabei extern durch einen weiteren Kameraoperator gesteuert.

Gibt es Nachteile bei elektronischen Gimbalsystemen?

Die Frage ist relativ einfach zu beantworten: Ja.

Und dieser kann sehr deutlich werden, wenn man einen Dreh im Freien hat, abseits der Zivilisation – ergo abseits einer vorhandenen Stromquelle. Denn auch diese Technik, die die Ausgleichbewegungen ausführt und berechnet, würde keine einzige Bewegung machen können, ohne dass die gute alte Physik nicht wäre- Die Motoren, Sensoren und Prozessoren brauchen Strom.

Was gleichzeitig der größte Segen eines solchen elektronischen Systems ist, könnte sein größter Schwachpunkt sein. Durch die extra leichte Bauweise wird natürlich dort gespart wo man sparen kann. Akkus sind in der Regel recht schwer und je nach Dreh kann es vorkommen, dass man mal eine Szene 10 oder sogar 20 mal drehen muss, da kommt man leicht auf eine Drehzeit von 4 stunden. In Abhängigkeit der Szene müssen mehr Ausgleichbewegungen ausgeführt werden, somit wird mehr Strom verbraucht. In der Wildnis sind leider bekanntlicher Weise meist keine Steckdosen verlegt, an dem man seine Akkus wieder aufladen kann. – Wenn man davon ausgeht, dass man keinen Generator am Set hat. Und bei einem Dreh im Freien ist man meistens nur mit dem Nötigsten unterwegs, das Motto lautet: „travel light“

In solchen Situationen ist die gute alte Steadycam wohl noch immer des Kameramanns bester Freund. Sie ist unabhängig vom Strom, weil sie nur auf den Grundfesten der Schwerkraft basiert. Schwer und anfällig für Wind, nicht kompakt und beim Wechsel der Optik muss der gesamte Apparat neu austariert werden, aber sie ist vollkommen unabhängig vom Strom.

Zudem ist der Umgang mit den Gimbals trotz ihrer Leichtbauweise, über längere Zeiträume recht anstrengend. Der Kameramann muss das gesamte Gewicht des Rigs mit seinen Armen halten. Lange Drehs sind deswegen durchaus anstrengend für Kameramänner. Auch hier gibt es zwar die Möglichkeit den Kameramann zu entlasten, indem man den Gimbal an Easyrigs aufhängt und ein Teil des Gewichtes auf die Wirbelsäule des Kameramanns umverlagert, doch hat das auch seine Nachteile. Denn die Freiheit, die man gerade durch das Benutzen des Gimbals erhält nimmt man sich dadurch wieder ein Stück weit. Das Easyrig schränkt den Kameramann in seiner Freiheit ähnlich ein, wie die Weste bei der Steadycam.

Fazit

Ob sich die neuen Gimbals gegen die Steadycam und einen erfahrenen Steadycamoperator durchsetzen können, wird sich noch zeigen. Sowohl die Steadycam als auch die Gimbalsysteme erleben immer weitere technische Verbesserungen. Welche Technologie sich durchsetzen wird beziehungsweise ob sich überhaupt eine Technologie durchsetzen wird, steht noch in den Sternen der Filmemacher. Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachteile und vielleicht werden beide Technologien auch weiterhin nebeneinander existieren.
Dass die Steadycam allerdings in den nächsten Jahren vom Markt verschwinden wird, kann ich mir kaum vorstellen. Es wird wahrscheinlich wie mit der Dolly sein, denn diese ist nach wie vor nicht aus der Filmwelt wegzudenken, auch wenn es die Steadycam oder Gimbalsysteme gibt.

 

Ob nun Gimbal oder Steadycam. Bei uns kommen Sie jedenfalls zum bestmöglichen Ergebnis. Falls Sie ein Event oder Werbefilm in Planung haben, wenden Sie sich gerne an uns. Einfach nur ein Knopfdruck. 

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